Doppelwohnsitz: Steuerliche Aspekte und Lebensschwerpunkt

Doppelwohnsitz und Steuerpflicht: Wie persönliche Bindungen und Wohnsitz die steuerliche Ansässigkeit beeinflussen und Doppelbesteuerung vermieden werden kann.

Die steuerliche Ansässigkeit bei Doppelwohnsitzsituationen ist ein komplexes Thema, das durch eine Vielzahl von internationalen Regelungen und Abkommen beeinflusst wird. Im Zentrum steht dabei die Frage, wo eine Person steuerlich veranlagt wird und wie Doppelbesteuerung vermieden werden kann.

Grundregel zur steuerlichen Ansässigkeit

Im Allgemeinen wird das gesamte Welteinkommen einer Person in dem Land besteuert, in dem sie ihren Hauptwohnsitz hat. Werden Einkünfte jedoch in einem anderen Land erzielt, entsteht dort eine beschränkte Steuerpflicht. Mehrere Wohnsitze können potenziell zu einer Doppelbesteuerung führen, die durch innerstaatliche Maßnahmen und Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) vermieden werden soll.

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)

Österreich verfügt über rund 90 DBAs, um Steuerkonflikte, die durch mehrere Wohnsitze entstehen können, zu lösen. Diese Abkommen regeln, welches Land als Ansässigkeitsstaat (Land des Lebensmittelpunkts) und welches als Quellenstaat (Land der Einkommenserzielung) gilt. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung kommen entweder die Anrechnungs- oder die Befreiungsmethode zum Einsatz.

Unterschiede zwischen Anrechnungs- und Befreiungsmethode

  • Anrechnungsmethode: Hierbei werden alle Einkünfte im Ansässigkeitsstaat versteuert, und im Ausland entrichtete Steuern werden darauf angerechnet.
  • Befreiungsmethode: Einkünfte aus dem anderen Staat bleiben steuerfrei, werden jedoch zur Bestimmung des Steuersatzes (Progressionsvorbehalt) berücksichtigt.

Tie-Breaker-Regelung im DBA

Um die steuerliche Ansässigkeit bei Doppelwohnsitzkonflikten zu bestimmen, werden folgende Kriterien herangezogen:

  • Ständige Wohnstätte: Der feste Wohnsitz der Person.
  • Mittelpunkt der Lebensinteressen: Der Ort der stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen.
  • Gewöhnlicher Aufenthalt: Der Ort des regelmäßigen Aufenthalts.
  • Staatsangehörigkeit: Die Nationalität der Person.

Schwerpunkt des Lebensinteresses

Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist entscheidend für die Bestimmung der steuerlichen Ansässigkeit. Er umfasst:

  • Familie und soziale Kontakte: Der Wohnort der Familie und der Freundeskreis.
  • Wohnsituation: Nutzung und Art der Wohnung.
  • Berufliche Bindungen: Arbeitsort und Dauer der Auslandstätigkeit.
  • Dauer und Gründe des Auslandsaufenthalts.

Entscheidung des VwGH aus 2024

Ein Fall aus 2024 vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) veranschaulicht diese Prinzipien. Ein Österreicher, der beruflich in die USA zog, behielt seinen Lebensmittelpunkt in Österreich bei. Ausschlaggebende Kriterien waren:

  1. Die Rückkehr der Familie nach Österreich zur Einschulung der Kinder.
  2. Das Fehlen einer Ansässigkeitsbescheinigung aus den USA.
  3. Starke Bindung an Österreich durch das Eigenheim und die österreichische Sozialversicherung.

Das Gericht betonte, dass persönliche Beziehungen Vorrang vor wirtschaftlichen Gesichtspunkten bei der Bestimmung des Lebensmittelpunkts haben.

Fazit

Bei der Festlegung des Lebensmittelpunkts für steuerliche Zwecke spielen persönliche Bindungen eine erheblich größere Rolle als wirtschaftliche Aspekte. Eine befristete Tätigkeit im Ausland ohne Aufgabe des Wohnsitzes in Österreich führt in der Regel nicht zu einer Verlagerung des Lebensmittelpunkts. Dies sollte bei der Planung internationaler Arbeitsverhältnisse berücksichtigt werden, um steuerliche Komplikationen zu vermeiden.

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